Im Alltag prasseln von überall Reize und Informationen auf uns ein. Viele davon haben wenig mit uns, unserem Leben oder Alltag zu tun. Dennoch binden sie täglich einen Großteil unserer Aufmerksamkeit, indem wir uns damit beschäftigen oder darauf reagieren müssen. Unsere Gedanken kreisen um alle möglichen Themen.
Oft fällt es uns schwer, uns von all den Eindrücken und Geschehnissen in unserem Umfeld oder in der Welt abzugrenzen. Stattdessen lassen wir uns ablenken oder involvieren – selbst dann, wenn wir keinen direkten Einfluss haben.
Durch die vielen Ablenkungen und Möglichkeiten gelingt es uns immer weniger, bei den Dingen und Aufgaben zu bleiben, die für uns und unser Leben wirklich zählen. Dies führt dazu, dass wir unsere Umgebung nur noch flüchtig wahrnehmen und uns nicht länger als nötig mit einer Sache beschäftigen.
Wir werden zusehends unaufmerksam und verlieren die Verbindung zum jetzigen Moment – und damit zu den kleinen und schönen Dingen um uns herum. Denn diese bewusst wahrzunehmen erfordert, innezuhalten, das Gedankenkarussell zu stoppen und mit allen Sinnen in die unmittelbare Umgebung einzutauchen.
Achtsamkeit ist deshalb so wertvoll, weil sie uns im Laufe des Tages immer wieder zurück zur Stille und zum Wesentlichen führt. Wie wir achtsam sind, ist individuell. Jeder Mensch hat oder findet seinen eigenen Weg, um den Herausforderungen des Alltags bewusster zu begegnen.
Für mich ist das Zeichnen ein solcher Weg. Neben regelmäßigen Auszeiten in der Natur praktiziere ich insbesondere Achtsamkeit durch Zeichnen.
Wie Achtsamkeit durch Zeichnen entstehen kann
Beim Zeichnen nach Modell werde ich automatisch präsent. Es hilft mir, die Dinge um mich herum aufmerksam und präzise zu beobachten. Ich tauche mit allen Sinnen tief ein und zeichne das, was ich wirklich sehe.
Dabei fallen mir Details auf, die ich sonst vielleicht übersehen oder die ich aus der Vorstellung heraus anders gezeichnet hätte. Kleine Falten, Lichtreflexe, Farbverläufe – all die feinen Nuancen, die in der Hektik des Alltags schnell untergehen und uns verborgen bleiben.
Über Welpen und Hundeblicke
In der Vorstellung besteht ein Auge beispielsweise aus zwei gleichmäßigen Bögen und zwei Kreisen dazwischen – Iris und Pupille. Anders beim Porträt dieses Welpen, in dessen Blick sich ein reales Fenster spiegelt.
Beim achtsamen Beobachten und Zeichnen der Augen des Welpen und des darin abgebildeten Fensters habe ich in der Tiefe verstanden, warum Augen zugleich Fenster zur Seele sind. Augen sind nicht gleich Augen oder lediglich eine bestimmte Form aus Bögen und Kreisen. Der Ausdruck der Augen ist beim Zeichnen immer entscheidend. Denn er haucht dem Porträt erst Leben ein und zeigt den einzigartigen Charakter. Kein Wunder, dass kaum jemand dem treuen Hundeblick einen Wunsch abschlagen kann.

Was das achtsame Zeichnen uns lehrt
Wie die Augen des Welpenporträts zeigen, sehen die Dinge manchmal anders aus, als sie uns auf den ersten Blick erscheinen. Für mich ist das Zeichnen nach Modell eine wirkungsvolle Achtsamkeitsübung. Es hilft mir, der Welt unvoreingenommen zu begegnen und dabei offen und neugierig zu bleiben – ohne voreilige Schlüsse zu ziehen oder alles im Voraus zu zerdenken.
In jedem Augenblick gibt es viel Neues und Schönes zu entdecken, wenn wir im Hier und Jetzt aufmerksam sind. Achtsamkeit durch Zeichnen ist eine Möglichkeit, bewusst hinzusehen. Dazu braucht es nicht viel: ein weißes Blatt Papier, ein paar Zeichenstifte und ein Radiergummi genügen, um abzuschalten und sich mit allen Sinnen dem Moment zu widmen.
Ob durch Zeichnen oder eine andere Praxis: Momente der Achtsamkeit schenken uns im Alltag die nötige Ruhe und Klarheit, um in Verbindung mit uns selbst zu treten. Sie lassen uns die scheinbar kleinen Dinge wieder wertschätzen, die wir für gewöhnlich als selbstverständlich erachten. Gerade in einer Welt, die uns oft überfordert, kann Achtsamkeit eine wertvolle Kraftquelle sein – damit wir den Herausforderungen mit mehr Selbstvertrauen und Gelassenheit begegnen können.